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Roland Berger lässt Biografie seines Vaters untersuchen

Der Unternehmensberater Roland Berger lässt die Vergangenheit seines Vaters während der Zeit des Nationalsozialismus von den Historikern Michael Wolffsohn und Sönke Neitzel aufarbeiten.

Sein Vater war 13 Jahre lang Mitglied der NSDAP und stieg in den dreißiger Jahren zunächst zum Kassenverwalter der Hitler-Jugend auf. Später leitete er in Österreich eine Großbäckerei und wohnte als Generaldirektor des Unternehmens offenbar in einer von jüdischen Eigentümern beschlagnahmten Dienstvilla in Wien.

Roland Berger, der zu Kriegsende keine acht Jahre alt war, hatte seinen Vater bislang in Interviews eher als Opfer der Nationalsozialisten dargestellt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im Jahr 2012 beschrieb er seinen Vater als Mann, dessen Menschenwürde gebrochen worden sei. Sein Vater habe sich zwar zunächst auf die Nazis eingelassen, nach der Reichspogromnacht sei er aber aus der Partei wieder ausgetreten: "Unter Gefahr seines Lebens hat er gezeigt: Mit mir nicht", sagte Roland Berger damals über seinen Vater.

Neue Erkenntnisse des Handelsblatts

Nach neuen Erkenntnissen des Handelsblatts stellt sich der Sachverhalt aber anders dar: Georg Berger hatte zwar wohl tatsächlich in späteren Jahren Ärger mit nationalsozialistischen Beamten, allerdings wohl nicht, weil er zum Gegner des Regimes geworden war, sondern weil er in seiner Dienstvilla laut Handelsblatt-Recherchen in "Saus und Braus" gelebt habe. Georg Berger war nach seiner Zeit bei der Hitler-Jugend Generaldirektor der Ankerbrot-Werke geworden, einer Großbäckerei in Österreich. Die einst von einem jüdischen Brüderpaar gegründete Brotfabrik hatten die Nationalsozialisten 1938 beschlagnahmt. Die ursprünglichen Eigentümer flüchteten erst in die Schweiz, später nach Amerika. Das Blatt zitiert einen Polizeibericht aus dem Jahr 1942, nach dem Berger seine Villa "mit einem unerhörten, in einem krassen Widerspruch zu den durch die Kriegslage gebotenen Sparmaßnahmen stehenden Aufwand" ausgebaut habe. Mitten im Krieg hätten mehr als 20 Mitarbeiter damit verbracht, seine Dienstvilla zu verschönern. Die Kosten seien mit 80.000 Reichsmark veranschlagt worden, was nach heutiger Kaufkraft 300.000 Euro entspräche, von denen Georg Berger nur ein Zehntel selbst bezahlt habe, den Rest sein Unternehmen. Obwohl er den Vorstand des Unternehmens im Juli 1942 verlassen habe, sei er nicht aus der Dienstvilla ausgezogen, an der offenbar auch ein anderer Nazi Interesse hatte, der aber nicht einziehen konnte, weil Georg Berger nicht auszog.

Roland Berger hatte 2012 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt, sein Vater sei 1942 zum ersten Mal verhaftet worden. "Wir hatten alle paar Wochen die Gestapo im Haus: Die Gesichter dieser Typen könnte ich heute noch beschreiben." Sein Vater sei 1944 endgültig weggesperrt geworden.

Georg Berger war Profiteur, aber wohl kein Täter des NS-Regimes

Nachdem Roland Berger mit den neuen Erkenntnissen über seinen 1977 verstorbenen Vater konfrontiert wurde, hat er sich nun entschieden, die Geschichte von den Historikern Michael Wolffsohn sowie Sönke Neitzel von der Uni Potsdam untersuchen zu lassen: "Ich will die Wahrheit wissen – und dann auch mein Vaterbild verändern", sagte Roland Berger dem Blatt in einem Interview. Falls er falsche Dinge behauptet habe, bereue er das aufrichtig. Sein Bild, dass er sich bislang über seinen Vater gemacht habe, stamme aus dessen eigenen Erzählungen. Die neuen Recherchen hätten sein Vaterbild "nachhaltig erschüttert". Sein Vater sei nach dem Krieg ein gebrochener Mann gewesen, es sei ihm erbärmlich gegangen. Die Ergebnisse der Historiker will Roland Berger veröffentlichen. Michael Wolffsohn ergänzte in einer ersten Einschätzung, Georg Berger, sei, soweit es sich bisher feststellen lasse, "in der Tat Profiteur des NS-Regimes gewesen", aber nach derzeitigem Wissensstand sei er kein Täter gewesen.

Verleihung des Menschenwürde-Preises abgesagt

Mit der Unternehmensberatung Roland Berger hat Georg Berger nichts zu tun. Sein Sohn gründete die Gesellschaft erst 1967. Aus dem Tagesgeschäft des Beratungshauses hat sich Roland Berger schon lange verabschiedet, ihm gehören allerdings noch knapp 3 Prozent des Unternehmens. Roland Berger engagiert sich seit 2008 über die Roland Berger Stiftung, die jedes Jahr einen Preis für Menschenwürde vergibt. Die nächste Preisvergabe sollte am 21. Oktober 2019 im Berliner Jüdischen Museum stattfinden, sie wurde aber angesichts der neuesten Entwicklungen abgesagt.

Medienberichte zum Thema:

Der Standard (Wien) vom 26. Januar 2020: Verhärteter Blick: Historiker forschen zur Arisierung der Ankerbrotfabrik

The New York Times vom 27. November 2019: Father’s Nazi Past Overtakes German Business Guru

Neue Zürcher Zeitung vom 22. Oktober 2019: Berater-Legende Roland Berger stellt sich der Nazi-Vergangenheit seines Vaters

The Guardian vom 22. Oktober 2019: Truth behind German businessman's 'anti-Nazi' father revealed

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. Oktober 2019: Roland Berger lässt Biografie seines Vaters untersuchen