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Das Gedenken geht an der Bevölkerung vorbei

Michael Wolffsohn mahnt eine neue Erinnerungskultur an. Es sei notwendig, sich Gedanken darüber zu machen, wie man das so wichtige Gedenken verbessern könne.

40 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland wüssten nicht, was Auschwitz gewesen sei, fügte der Historiker im Gespräch mit dem Deutschlandfunk am 31. Januar 2019 hinzu.

Das bisherige Gedenken sei ganz offensichtlich an der Bevölkerung vorbeigegangen, sagte Wolffsohn im DLF (Audio-Link). Auch Erhebungen in anderen europäischen Ländern zeigten, dass viele junge Menschen Unkenntnis über die Zeit des NS-Regimes hätten. Man müsse sich die Frage nach dem Stellenwert von Gedenkreden stellen. Wolffsohn empfiehlt, die Diskussion mehr in die Gesellschaft hineinzutragen, wie eine verbesserte Erinnerungskultur entstehen könne.

Kritik an Knobloch

Der Historiker bezog in dem Zusammenhang auch Stellung zur Rede der früheren Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Knobloch, im bayerischen Landtag in der vergangenen Woche. Er halte die Worte Knoblochs für nicht besonders glücklich gewählt. Da werde eine Meinung quasi als Faktum präsentiert, und dann könnten sich auch diejenigen wehren, die sich provoziert fühlten. Knobloch hatte in ihrer Rede die AfD kritisiert und der Partei vorgeworfen, ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung zu gründen und nicht auf dem Boden der demokratischen Verfassung zu stehen. Daraufhin hatte die AfD-Fraktion die Landtagssitzung verlassen.

Auch mit der AfD fair umgehen

Wolffsohn sprach sich dafür aus, auch mit der AfD fair umzugehen. Man müsse sich mit Fakten auseinandersetzen und über die Gegensätze diskutieren, die es in der Gesellschaft gebe. Er halte es für sehr problematisch, festzustellen, ob die AfD eine antisemitische Partei sei: "Ja, es gibt Herrn Höcke, ja, es gibt Herrn Gedeon, ja es gibt Antisemiten in der AfD, aber eben nicht nur. Kurzum – wir müssen uns intensiv-sachlich auch mit Themen und Parteien beschäftigen, die uns nicht gefallen."

Am 31. Januar 2019 erinnerte der Bundestag mit einer Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus. Redner war der in Prag geborene israelische Historiker und Holocaust-Überlebende Saul Friedländer.