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Wir sind eine Gesellschaft von Ichlingen

Nur rund zehn Prozent der Deutschen wären laut einer Studie bereit, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen.

Die Umfrage bestätigt, was wir alle wissen: Wir sind eine Gesellschaft von Ichlingen, die das Wir nicht mehr kennen und auch nicht mehr kennen wollen.

Nach 1945 haben wir verständlicherweise das Individuum in den Mittelpunkt gestellt, und das ist auch sehr sympathisch. Der Staat ist für den Bürger da, aber der Bürger nicht mehr für die Bürgergemeinschaft, die sehr viel mehr ist als die Institutionen des Staates. Das ist systematisch in Deutschland gepredigt worden, sehr viel mehr als in anderen Staaten, und nun erntet man diese Früchte. Die einen sagen, es sind süße Früchte, für die anderen sind es bittere Früchte.

Nach dem kollektiven Massentöten im Zweiten Weltkrieg, bei dem auch die Deutschen als Kanonenfutter dienten, war diese Hinwendung zum einzelnen Menschen sehr sympathisch — psychologisch ebenso wie historisch. Aber ein Gemeinschaftsunternehmen, und das ist ein Staatswesen eben, kann nicht funktionieren ohne das Wir. Das Ich muss im Mittelpunkt stehen, aber das Wir darf nicht vergessen werden.

Interview mit MDR Aktuell, 10. Februar 2023