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Wolffsohn entzieht sich jeder Vereinnahmung konsequent und dickköpfig. Er mag das nicht, das »diplomatische Ver- und Übermitteln oder das verdeckende Überzuckern«, er ist weder Befehlsempfänger noch Diplomat sondern Professor geworden, weil das von "profiteri" komme - von "Bekennen".

Cora Stephan in der "Welt"

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Das Eigentor der Judenhasser

Es gibt keine Staatsbürgerschaft à la carte. Auch Zuwanderer aus muslimischen Ländern müssen die geschichtliche Verantwortung Deutschlands anerkennen.

Der Journalist Constantin Schreiber hat rund 100 Schulbücher aus muslimischen Ländern untersucht und fand fast überall "frauenfeindliche, rassistische und antisemitische Ausfälle". Wie sind diese Vorprägungen in den Köpfen derer, die hierherkommen, zu überwinden?

"Erstens durch Erziehung. Durch die Gesellschaft. Zweitens durch den Staat, sprich: konsequente Anwendung der Gesetze", sagte Michael Wolffsohn in einem jüdisch-muslimischen Gespräch mit dem Journalisten Eren Güvercin, das das Magazin Cicero in seiner Ausgabe 08/2019 veröffentlichte. Die Durchsetzung des Gesetzes sei "grundlegend für gelingendes Zusammenleben". Doch da "hapert es", fügte Wolffsohn hinzu.

Gesetze müssen strikt angewendet werden

"Wir haben aus historisch verständlichen Gründen einen Staat, der sich nicht traut, die vorhandenen Gesetze anzuwenden – bis hin zur Rechtsprechung." Als Beispiele nannte er das Frankfurter Urteil, wonach die Misshandlung einer Frau unter der Berücksichtigung islamischer Kultur zu dulden sei. Auch die Vielehe sei gerichtlich schon toleriert worden. Wolffsohn: "Das geht gar nicht. Niemand wird gezwungen, sich in Deutschland aufzuhalten. Die Gesetze müssen strikt angewandt werden. Unser Staat nimmt sich da nicht ernst genug."

Frage: Was machen wir dann mit dem Satz, Israels Sicherheit sei Deutschlands Staatsräson? Wird man je von einem eingedeutschten Syrer oder Iraker verlangen können, da zuzustimmen?

Wolffsohns Antwort: "Es gibt keine Staatsbürgerschaft à la carte. Mit ihr gehen Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber einher. Insofern: Teil der deutschen Haftungsgesellschaft ist jeder mit deutscher Staatsbürgerschaft. Niemand wird gezwungen, nach Deutschland zu kommen. Der eingedeutschte Syrer oder Iraker muss dem zitierten Satz zustimmen."

Israel braucht Deutschlands Hilfe nicht

Allerdings sei der Satz "eine Phrase", fügte der Publizist hinzu. "Soll die kaum kampffähige Bundeswehr Israel sichern?" Glücklicherweise brauche Israel Deutschlands Hilfe nicht: "Sollte Israels Untergang bevorstehen und Israel auf deutsche Hilfe angewiesen sein, wäre Israels Untergang besiegelt. Weder wäre die Bundeswehr zur Hilfe in der Lage noch die deutsche Gesellschaft zur Hilfe bereit."

Auch die Politik der Bundeskanzlerin, die im März 2008 von der Staatsräson gesprochen hat, folge ihrem eigenen Prinzip keineswegs. "In der altdeutschen Gesellschaft (also der Gesellschaft vor der Zuwanderung - Red.) überwiegt eine klare, manchmal brutale Distanzierung von Israel", konstatiert der Historiker Wolffsohn.

Zudem stellte er fest: "Die Akteure der Erinnerungskultur bewegen sich in die falsche Richtung. Sie haben vergessen, dass die Schreckensjahre 1933 bis 1945 keine rein deutsche Angelegenheit waren. Sonst könnten Muslime zu Recht darauf verweisen, nichts mit dieser Erinnerung zu tun zu haben." In Kroatien, in der Ukraine, im Kaukasus, in ganz Nahost habe es Kollaboration gegeben. In der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs hätten arabisch-islamische Staaten, Iran und Irak etwa, mit Deutschland zusammen gegen Großbritannien gearbeitet.

Erinnerungskultur muss sich grundlegend ändern

Fazit des Historikers: "Die deutsche Erinnerungskultur krankt daran, dass sie auf Taten von Deutschen reduziert wird. Der muslimischen Community in ganz Europa wird nicht hinreichend klargemacht, dass dieses Erinnern ein gemeinsames Thema ist." Die Erinnerungskultur müsse sich grundlegend ändern: "Wäre ich Muslim und würde deutsche Reden zum Holocaust hören – ich fühlte mich nicht angesprochen", sagte Wolffsohn.

Aus muslimischen Ländern zugewanderte Israelhasser stießen in Deutschland mit ihrem Antizionismus auf großes Verständnis. "Wir Juden werden nicht verfolgt, es ist kein neuer Holocaust zu erwarten. Aber die Perspektiven im Alltag sind negativ." Die Zuwanderung habe die Lage verschärft. 'Die Juden' würden als der verlängerte Arm des verhassten israelischen Staates gesehen. Wolffsohn erwartet für die jüdische Gemeinschaft nichts Gutes: "Schauen Sie nach Frankreich: Ein Fünftel der Juden ist in den Jahren 2000 bis 2018 ausgewandert. Die Polarisierung wird auch hierzulande auf Kosten der jüdischen Gemeinschaft stattfinden."

Exodus der Juden wird weitergehen

Frage: Was wird vor dem Hintergrund, den wir skizziert haben, die Zukunft bringen? Antwort Michael Wolffsohn: "Der Exodus der Juden wird weitergehen. Mit einem paradoxen Ergebnis freilich. Diejenigen, die sich ein Europa mit weniger Juden wünschen, stärken durch diese Fluchtbewegung der Hochqualifizierten den Staat Israel ganz ungemein und schwächen Deutschland und Europa. Das nennt man Eigentor."

Das ganze Gespräch in Cicero, moderiert von Dr. Alexander Kissler, als PDF